Die Reggio-Pädagogik ist kein Modell. Sie ist eine Erziehungsphilosophie, bei der die Rechte der Kinder und ein reflektiertes Bild vom Kind eine zentrale Stellung einnehmen.
Reggio-Pädagogik bildet im übertragenen Sinn lediglich das stabile Gerüst eines Hauses. Wie weitergebaut wird ist das Ergebnis eines offenen Dialogs zwischen allen an der Erziehung beteiligten.
Die Reggio-Pädagogik ist also ein ausbaufähiges und pädagogisches, an die Wirklichkeit anpassungsfähiges Prinzip, aber keinesfalls eine dogmatische pädagogische Theorie.
1. Wie alles anfing – eine kleine Geschichte der Reggio-Pädagogik
- die norditalienische Stadt Reggio Emilia:
Nach dem Kriegsende 1945 werden von den Bewohnern der Stadt Kriegstrümmer zusammengetragen und auf dem Schwarzmarkt verkauft. Mit dem Erlös wollen sie einen Kindergarten bauen.
Ziel: Erziehung zu Humanität und Gewaltfreiheit.
Ein Konzept, an dem sie sich orientieren konnten, gab es in ihren Augen nicht.
Sie mussten neue Wege gehen.
Der Lehrer Loris Malaguzzi war von der Initiative der Bürger begeistert. Er gibt den Ideen ein theoretisches Fundament und verhilft dieser Pädagogik zu weltweiter Verbreitung.
- 1991 erfolgte die erste internationale Würdigung der Entwicklungsarbeit:
Von der Unesco wurde die Reggiopädagogik als die weltweit beste Pädagogik zur Erziehung von Vorschulkindern anerkannt.
2. Das Kind
verstehen wir als Konstrukteuer seiner individuellen Wirklichkeit und Entwicklung. Kinder bilden sich im sozialen Kontext selbst. Sie sind von Anfang an in der Lage sich mit ihrer sozialen Umwelt auszutauschen und sie machen sich von Geburt an durch sinnliche Erfahrungen ein eigenes Bild von der Welt.
3. Das Kind hat hundert Sprachen
Die verschiedenen Möglichkeiten der Sinneserfassung bilden die Grundlage für die vielen Sprachen der Kinder. Damit ihre Sinneserfahrungen zu einer Sprache werden können, brauchen Kinder einfache Materialien, Werkzeuge, Rollen- und darstellendes Spiel, Musik, bildende Kunst und auch symbolische Strukturen, um möglichst viele Formen der Wirklichkeitsaneignung zu erfahren.
Damit können sie ihre persönlichen Ausdrucksformen (Sprachen) entwickeln. Das Spielmaterial kann sowohl aus der Natur, als auch aus dem Baumarkt stammen.
4. Lernen in Projekten
Die thematischen Projekte entstehen aus Beobachtungen, Erlebnissen, Gesprächen und Impulsen der Kinder sowie der Erwachsenen. Den Erziehern kommt die Rolle des dialogischen Begleitens zu, dazu gehört das Beobachten, Dokumentieren und Impulsgeben, keinesfalls jedoch das Belehren.
Das Kind erweitert sein Wissen durch die Bildung von (kindlichen) Hypothesen und durch die Verifizierung von (kindlichen) Versuchen.
5. Dokumentation
Die Dokumentation der Projekte dient der Ideensammlung, als kollektives Gedächtnis, sowie als Information für die Eltern. Sie ist die Grundlage einer Pädagogik des Zuhörens und der Partizipation der Kinder. Sie macht Lernen sichtbar und ist somit die Basis zur Rekonstruktion von Bildungsprozessen.
Andererseits hilft sie den Kindern ihre eigenen Lernstrategien zu verbessern.
6. Der Raum als „dritter Erzieher“
Räume wirken als reichhaltige, vorbereitete Umgebung, die den Kindern sowohl Anregung und Herausforderung bieten, als auch Geborgenheit und Rückzugsmöglichkeiten.
Es gibt Gruppen-und Funktionsräume, z.B. Räume für künstlerisches Gestalten, Bewegung, Entspannung etc..
Einrichtung und Material haben durch die Präsentation Aufforderungscharakter, ermöglichen unterschiedliche Perspektiven, fordern verschiedene Wahrnehmung heraus und laden zum forschenden Lernen ein.
7. Das Selbstverständnis der ErzieherInnen und die Bedeutung des Teams
Die Anerkennung der Selbstständigkeit ist die Grundlage des pädagogischen Handelns.
Wahrnehmendes, entdeckendes Beobachten bildet einen wesentlichen Teil des professionellen Handelns. ErzieherInnen sind kompetente PartnerInnen bei kindlichen Forschungsprozessen.
8. Lebensgemeinschaft auf Zeit mit Müttern und Vätern
Sie sind die Dialog- und Erziehungspartner des Teams auf Augenhöhe. Die Lebenslage der Familien sowie ihre Kompetenzen sind wichtige Bezugspunkte des pädagogischen Handelns.
9. Gemeinwesenorientierung
Die Verknüpfung der Erfahrungen der Kita-Kinder mit dem Gemeinwesen, in dem sie leben und die Offenheit der Kita gegenüber Eltern, Nachbarn und Experten sind wesentlicher Bestandteil der elementarpädagogischen Arbeit. Die Erfahrungen der Kinder mit Kunst und Kultur, Verkehr und Kommunikation, Handwerk und Gewerbe sowie mit Bildung und Forschung realisieren sich sowohl im Kontakt mit Personen und Institutionen außerhalb der Kita als auch in dem Hineinholen von Repräsentanten dieser Bereiche.
10. Die Rechte der Kinder
Entsprechend der UN-Kinderrechtskonventionen setzen wir uns für die Anerkennung der Rechte und Potenziale der Kinder ein. Interkulturelle Kompetenzen aller Kinder werden gefördert und Kinder mit besonderen Bedürfnissen berücksichtigt.
Diese Kriterien wurden erarbeitet im Vorstand zusammen mit dem wissenschaftlichen Beirat von Dialog Reggio e.V. und gelten als Grundlage für eine reggioorientierte Arbeit in Kindertagesstätten.